So, da bist du nun. Du hast deine ersten, eventuell atemberaubenden spirituellen Erfahrungen gemacht.
Dein Herz hat sich geöffnet, dein Energiesystem geweitet und dein Bewusstsein hat Sphären erreicht, die du vielleicht bis dahin nicht kanntest. Das Leben fühlt sich an, als wäre es von schwarz-weiß auf Farbe umgestellt und du weißt gar nicht, wohin mit all dieser überfließenden Liebe.
Und davon möchtest du mehr, was völlig verständlich ist. Nur: Wo anfangen?
Wie eine erste Orientierung auf der spirituellen Reise gut gelingt:
Du wirst vermutlich anfangen zu googeln und merken, dass es, wie auf jedem anderen Markt auch, unglaublich viel Angebot gibt und es gar nicht so leicht ist, herauszufinden, was für dich passend ist und was nicht. Wo du gut aufgehoben bist und wo vielleicht auch Vorsicht angebracht ist.
Ich mag dir in diesem Artikel einige der roten Flaggen und auch ein paar grüne Flaggen mit an die Hand geben, woran du erkennen kannst, dass du es mit einem guten und gesunden spirituellen Angebot zu tun hast oder wo du vielleicht mit Vorsicht rangehen solltest oder was du vielleicht auch völlig sein lassen solltest. (Außer, diese Sorte von Erfahrung gehört zu deinem spirituellen Weg dazu, dann nimm sie mit).
Klar: Mit genügend Reflektionsfähigkeit kann frau jede Erfahrung für sich nutzen, durch Leid lernt es sich ja auch ganz gut. Jedoch ist auch in der spirituellen Welt Vorsicht angebracht, gerade, wenn du einen Trauma Hintergrund hast oder eine entsprechende Vorgeschichte. Dann können gewisse Erfahrungen im falschen Kontext durchaus auch retraumatisierend wirken. Auch wenn man sagt, dass die Seele dir nur die Erfahrungen zumutet, die du auch bewältigen kannst, muss frau auf ihrem Weg ja nicht unbedingt alles mitnehmen.
Wir könne auch in Liebe und sicheren Räumen wachsen, nicht nur durch Leid und Schmerz. Klingt auch viel schöner, oder?
Spirituelle Räume sind Beziehungsräume.
Wie in jedem anderen Kontext auch geht es in spirituellen Räumen um Beziehung und Kontakt. Auch wenn der Fokus hier auf der Beziehung von dir zum großen Ganzen liegt, bist du immer noch ein Wesen dieser Welt und somit auch in Beziehung mit deiner Umwelt.
Zu dieser Umwelt gehören auch spirituelle Lehrer*innen und Gemeinschaften. Und für diese gelten genauso die Regeln für gesunde und nährende Beziehungen wie für jede andere Beziehungsform auch.
Damit dein spirituelles Abenteuer eine gute Erfahrung wird, gilt es zu schauen, dass du dir für diese Reise gute und sichere Räume suchst.
Deswegen ist es eine gute Orientierungshilfe, die grünen und auch roten Flaggen, die es für Beziehungen gibt, als ersten Filter über Gemeinschaften und spirituelle Lehrer*innen zu legen.
Eine grüne Flagge ist ein positives Verhaltensmerkmal im zwischenmenschlichen Miteinander, das signalisiert, dass hier eine tragfähige und nährende Beziehung möglich sein kann.
Eine rote Flagge hingegen ist es Warnsignal, das auf eine einseitige und dysfunktionale Beziehung hinweist, wo kein echtes gemeinsames Wachstum auf Augenhöhe möglich ist, sondern wo ein starkes Macht-Gefälle herrschen und Abhängigkeitsverhältnisse hergestellt werden können.
Was den spirituellen Raum so anfällig für Missbrauch macht:
Das gefährliche Element in der Welt der spirituellen Erfahrung ist, dass spirituelles Erleben meist mit positiven Gefühlen einhergeht. Sich mit allem, was ist, verbunden zu fühlen, ist ekstatisch, macht weit und öffnet das Herz. Es hat jedoch nichts mit den persönlichen Strukturen zu tun.
Spirituelle Techniken sind machtvoll. Sie erhöhen deine Lebenskraft, dein Prana und verleihen dir eine gewisse Ausstrahlung. Wenn dann noch Charisma dazu kommt, kann es hier, je nachdem, wie die Persönlichkeit des Lehrers oder der Lehrerin gestrickt ist, schwierig werden.
Denn ein Fortschreiten auf dem spirituellen Weg bedeutet nicht automatisch, dass derjenige sich auch mit sich selbst auseinandersetzt. Wenn Spiritualität benutzt wird, um die eigenen blinden und schambesetzten Flecken nicht sehen zu wollen, dann wird es toxisch. Wenn so jemand dann noch in eine leitende Position kommt, dann ist Vorsicht geboten.
Das kann sehr verwirrend sein, einerseits ist da ganz viel Liebe zu spüren und auf der anderen Seite gibt es Verhaltensweisen, die ungesund sind. Ein typisches Double-bind, eine Botschaft, die zwei gegensätzliche Signale sendet und den Weg für Missbrauch ebnet.
Gerade in spirituellen Kontexten ist zu beobachten, dass Menschen davor gerne die Augen verschließen und sich wundern, wenn wieder ein weiterer Skandal in den Bereichen: Se*ualisierter Gewalt, Machtmissbrauch oder Geld ans Licht der Öffentlichkeit kommt.
Das kann so erklärt werden, dass auch traditionelle spirituelle Systeme in patriarchalen Strukturen eingebettet sind, die genau so etwas begünstigen und fördern. Hier gilt es, neue Maßstäbe und neue Formen des spirituellen Miteinanders zu entwickeln.
Rote Flaggen in der spirituellen Szene:
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Autoritäres Verhalten: Lehrer*innen, die keinen Widerspruch dulden und ihre Autorität übermäßig betonen. Dir werden dein eigenes Empfinden und deine eigenen Bedürfnisse
abgesprochen. Die Lehrer*in weiß besser, was für dich gut ist als du selbst.
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Isolation: Aufforderung, sich von Familie und Freunden zu distanzieren, die nicht die gleichen Überzeugungen teilen. Das kann entweder sehr direkt oder auch subtil
geschehen. Zum Beispiel können bedeutsame Feiertage mit Aktivitäten aus der Gemeinschaft belegt sein und Geburtstage werden nicht gefeiert. Alles Anlässe, die sonst zu einem
gesellschaftlichen Eingebunden sein dazu gehören. Zu dem Thema Isolation gehört auch das Bilden von abgesonderten, in sich geschlossenen Systemen gemischt mit spirituellen Ego. Wenn dir in
einer Gruppe erzählt wird, dass alle, die hier sind, schon so viel weiter sind wie der Rest der Menschheit, ist das zumindest einen zweiten Blick wert. Denn dann geht es nicht mehr um der
Verbindende, sondern bedient das Spaltende des Egos.
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Exklusivitätsansprüche: Behauptungen, dass nur ihre Lehren oder Praktiken den "wahren" Weg darstellen. Höre dir zudem immer an, wie über andere Traditionen, Gemeinschaften
und Lehrer*innen gesprochen wird. Wenn hier abgewertet oder negiert wird, dann ist Vorsicht angebracht. Das ist nicht zu verwechseln mit konstruktiver Kritik und Hinterfragen von überalterten
Strukturen in spirituellen Systemen.
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Finanzielle Ausbeutung: Unverhältnismäßig hohe Gebühren für Kurse, Seminare oder spirituelle Dienste. Aufgabe von finanzieller Unabhängigkeit bei Eintritt in eine
Gemeinschaft.
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Manipulation und Kontrolle: Einsatz von Techniken, um Mitglieder emotional oder psychisch zu manipulieren. Alles, was dir in diesem Kontext an Druck und Angst-Strategien
begegnet, ist ein absolutes No-Go! Genauso wie Gruppenzwang!
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Fehlende Transparenz: Geheimhaltung von wichtigen Informationen und Bildung von Eliten und besonderen Gruppen innerhalb einer Gemeinschaft. Skandale werden vertuscht und es
findet eine Täter-Opfer-Verdrehung statt.
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Fehlende Ethik: Unethisches Verhalten oder moralische Verfehlungen von Lehrern oder führenden Mitgliedern. Klar, auch spirituelle Lehrer*innen sind weiterhin Menschen, jedoch
gibt es Grenzen, du die sind weiterhin da zu finden, wo es selbst- oder fremdverletzend wird.
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Versprechungen von Wunderheilungen: Übertriebene Versprechungen von sofortiger Heilung oder Erleuchtung. Selbsterklärend...
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Fehlende Selbstkritik: Unfähigkeit, eigene Fehler oder Schwächen anzuerkennen und zu adressieren. Bei jemandem, der sich als fehlerfrei oder gottgleich definiert, ist immer
Vorsicht angebracht, ob spirituelle Szene oder nicht. Was sehr schade ist, dass es in der Spiritualität nicht, wie zum Beispiel in der therapeutischen Szene, eine Supervision gibt. Also
jemanden, mit dem du dein Arbeiten und deine Unsicherheiten, gerade in Bezug auf deine Klient*innen, besprichst.
- Abhängigkeit: Ermutigung zu emotionaler, psychischer oder finanzieller Abhängigkeit von der Gruppe oder dem Lehrer, der Lehrerin. Es gilt immer zu überprüfen, ob es möglich ist, jederzeit ohne Sanktionen und Konsequenzen, wieder zu gehen und zurück zu kommen. Wenn dies nicht möglich ist: Finger weg. Auch wenn dein spirituelles Weiterkommen mit der Gnade und Zuwendung der Lehrer*in zusammenhängt, dann stimmt was ganz gehörig nicht.
Ein Beispiel für eine rote Flagge:
Hier wird ganz klar mit der Angst und Druck Strategie gearbeitet. Gerade die Nummer mit "ich spüre da was" und du bist in Gefahr und nur Ich kann dir mit meinen Fähigkeiten helfen, aber nur sofort, ist eine Anhäufung von roten Flaggen.
Grüne Flaggen in der spirituellen Szene:
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Offenheit und Akzeptanz: Respekt gegenüber verschiedenen Glaubenssystemen und Praktiken. Es ist ein gutes Zeichen, wenn respektvoll über andere Systeme und Lehrer*innen
gesprochen wird. Natürlich darf es hier einen offenen Diskurs geben über spirituelle Systeme, jedoch immer auf eine Art und Weise, die konstruktiv und förderlich ist.
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Integrität der Lehrer: Spirituelle Lehrer*innen, die authentisch leben, was sie lehren. Walk your talk. Natürlich sind Lehrer*innen auch Menschen mit Persönlichkeit und Ego
und definitiv nicht unfehlbar. Jedoch sollte nur das von Schüler*innen verlangt und gefordert werden, was auch selbst gelebt wird. Ansonsten fehlt die Substanz, der Kern im Inneren eines
spirituellen Systems. Auch sollte das, was weitergegeben wird, selbst er- und durchlebt worden sein - oder transparent gemacht werden, wenn dies nicht so ist.
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Selbstermächtigung: Ermutigung zur persönlichen Entfaltung und unabhängigen spirituellen Suche. Eine gute Lehrer*in ist eine Weggefährtin, ein Mensch, der für eine Weile
neben dir hergeht und dich auf deinem Weg unterstützt. Dir für eine Weile, grad auf holprigen Strecken, Stütze und Licht ist, jedoch dir nicht die Verantwortung für deinen Weg abnimmt. Du
bleibst eigenständig und selbstverantwortlich und somit auch handlungsfähig.
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Gemeinschaftsgefühl: Eine unterstützende Gemeinschaft, die Wohlbefinden und Wachstum fördert. Es gibt keine Grüppchen- und Elitenbildung innerhalb der Gruppe, das
Gemeinschaftswesen hat gute und gesunde Werkzeuge, wie mit Konflikten und unterschiedlichen Bedürfnissen umgegangen wird.
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Transparenz: Offene Informationen über Praktiken, Lehren und finanzielle Angelegenheiten. Alles, was geschieht, ist jederzeit möglich zu erfragen und im besten Fall
vertraglich geregelt nach bestehendem Recht. Missstände werden offen angegangen, transparent kommuniziert, Verantwortung übernommen und geklärt.
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Freier Wille: Respektierung der individuellen Entscheidungen und Wege jedes Einzelnen. Dazu gehört, dass du jederzeit gehen oder bleiben kannst, ohne dass das eine Auswirkung
auf das Miteinander hat. Du wirst nicht mithilfe manipulativer Verhaltensweisen zu Dingen gebracht, die du eigentlich nicht wolltest. Du kannst jederzeit nein oder ja sagen.
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Förderung des kritischen Denkens: Ermutigung, Fragen zu stellen und eigene Nachforschungen anzustellen. Ein wichtiger Punkt. Klar gehört auch eine Dosis Vertrauen dazu, wie
in jeder anderen Beziehung auch. Jedoch darf sich dieses auch durch die Zeit und das entsprechende Verhalten verdient und im besten Fall bestätigt werden. Wenn das Fragestellen ermutigt und
gefördert wird und dein Gegenüber zu Beziehungsklärungen bereit steht, zu einer Klärung auf Augenhöhe, dann ist das ein sehr gutes Zeichen.
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Ethik und Moral: Ethisches Verhalten und moralische Integrität innerhalb der Gemeinschaft. Jede Gruppe hat ihre Richtlinien und Regeln. Besteht ein klarer Rahmen? Wie wird
mit Konflikten und Fehlverhalten umgegangen? Ist die Umgebung dogmatisch oder fehlerfreundlich? Sind die Lehrer*innen weiterhin Mensch und stehen ebenfalls zu Fehlern und Missgeschicken und
korrigieren diese gegebenenfalls? Gibt es hier eine Verantwortungsübernahme? Wenn das alles mit ja zu beantworten ist, ist das prima.
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Heilung und Wachstum: Unterstützung bei der persönlichen Heilung und dem spirituellen Wachstum. Im Schüler*in und Lehrer*in Verhältnis sind die Lehrer*innen für die
Schüler*innen da und nicht umgekehrt. Das Zusammensein mit diesen sollte dir ein gutes Gefühl geben und dich inspirieren.
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Echtheit im Ausdruck: Ein Umfeld, in dem alles an menschlichen Regungen und Bedürfnissen sein kann und nicht von einem spirituellen System in richtiges und falsches
Verhalten eingeteilt wird, ist ebenfalls eine grüne Flagge. Wenn es keine Einteilung zum Beispiel in schlechte oder richtige Gefühle gibt, ist das ein gutes Zeichen. Das heißt jetzt nicht,
alles ungehemmt ausleben zu können, sondern dass es auch sichere Räume dafür gibt und existieren darf, ohne dass zum Beispiel Wut negiert wird oder als Illusion abgetan wird. Und wo es
angemessene Ausdruckformen dafür gibt, die mit Verantwortungsübernahme einhergehen.
- Wirksamkeit: Die spirituelle Praxis ist immer alltagsbezogen. Sie hat den Fokus immer darauf, dass sich dein Leben und das deiner Umwelt zum Positiven hin verändert. Sie ist kein in sich geschlossenes System, sondern nimmt an der Welt teil. Sie ist kein leerer Kult, sondern verändert wirklich etwas in deinem Leben.
Tipps für spirituelle Anfänger*innen:
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Eigene Recherche: Informiere dich gründlich über verschiedene spirituelle Wege und Lehrer*innen, bevor du dich tief einlässt.
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Hinterfrage: Sei kritisch und hinterfrage alles, auch wenn es von angesehenen Lehrer*innen oder einer bekannten Gruppe kommt.
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Grenzen setzen: Setze klare persönliche Grenzen und beobachte, wie mit diesem umgegangen wird.
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Intuition vertrauen: Höre auf dein Bauchgefühl. Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt, ist es wichtig, darauf zu achten.
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Unterstützung suchen: Finde eine unterstützende Gemeinschaft oder Lehrer*in, die dich in deinem spirituellen Wachstum fördert, ohne dich zu kontrollieren.
- Selbstreflexion: Nimm dir regelmäßig Zeit für Selbstreflexion, um sicherzustellen, dass du auf deinem Weg Fortschritte machst und dich wohlfühlst.
Über den Unterschied zwischen weiblichen spirituellen Kreisen und herkömmlicher Spiritualität.
Einer der Unterschied zwischen herkömmlichen, hierarchisch strukturierten und patriarchal geprägten spirituellen Systemen und frauenzentrierter zyklisch ausgerichteter Spiritualität, die in Kreisen stattfindet, ist, dass die frauenzentrierten Systeme weniger anfällig für Missbrauch sind.
Der Kreis schafft keine Ebenen, der Kreis mit all den Frauen, wo jede für jeden Spiegel ist und alles sein darf an Ausdruck, verhindert das.
Ich hoffe, du konntest für dich wertvolle Infos aus dem Artikel herausziehen und fühlst dich jetzt schon sicherer auf deinem spirituellen Weg. Es ist eine wunderbare Reise, die dich immer tiefer in Verbindung bringt mit dir Selbst und dem Mysterium der Existenz.
Ich hatte auf meinem Weg immer das Glück, an die genau richtigen Lehrer*innen zu genau der richtigen Zeit zu geraten. Jede Phase auf meinem Weg wurde und wird von anderen Menschen begleitet und hatte immer einen starken Praxis- und Weltbezug. Es gab Phasen, da brauchte es mehr therapeutische Unterstützung, es gab Phasen, in denen es einen stärkeren körperlichen Bezug gab oder einen Feinstofflicheren. Allen gemein war, dass sie im Bereich der grünen Flaggen angesiedelt waren oder ich sehr schnell merkte, wann nicht. Da hat mich meine Intuition nie im Stich gelassen.
Ich wünsche dir, dass du mit Freude auf deinem spirituellen Abenteuer bleibst und all das findest, was du für dich und deinen Weg brauchst - dem Weg zu dir SELBST.
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