Was ist eigentlich zeitgenössische frauenzentrierte Spiritualität und wozu brauche ich das?

Zeitgenössische frauenzentrierte Spiritualität ist uralt und kein Trend.

Ja, was ist das eigentlich? Ist das schon wieder so eine Mode, ein neues Label, das gerade hip und in ist? Und wieder vergessen in ein paar Jahren, weil der neueste Trend es wieder abgelöst hat.

Nein, auf keinen Fall!

 

Es ist kein Trend und auch nichts Aufgesetztes, sondern im Gegenteil etwas Uraltes im Kontext unserer modernen Welt gelebt.

 

Frauenzentrierte Spiritualität, klingt ganz schön gewichtig, nicht wahr?! Ist es auch, wenn wir es in seiner Ganzheit durchdringen. Es ist ein Ansatz, der sich von Frauen für Frauen entwickelt hat. Wobei hier die Gewichtung auf organischer Entwicklung liegt, auf dem, was sich durch das Zusammensein von Frauen ganz natürlich zeigt, wenn es sich ungehindert entfalten kann.

 

Es ist ein Ansatz, in dem die Frau in all ihren Facetten berücksichtigt wird und der weibliche Körper als heilig angesehen wird. Das sinnlich-körperliche Erleben wird bejaht und als ein Ausdruck des Göttlichen verstanden und erfühlt.

Es ist ein Ansatz, der Spiritualität nicht vom Weltlichen trennt, wie es in allen großen Weltreligionen geschieht, in denen alles Weltliche – und damit meist bevorzugt, der weibliche Körper- als sündig und fehlerhaft betrachtet wird.

Was frauenzentrierte Spiritualität bedeutet:

Es ist keine Form der Spiritualität, in der es gilt, das Weltliche zu überwinden und in der auf ein Jenseits hingearbeitet und gebetet wird, damit das leidvolle Diesseits überwunden wird.

 

Frauenzentrierte Spiritualität schließt alles mit ein und trennt nicht. Alles, was ist, ist heilig und somit spirituell. Das Göttliche ist durch den Körper und seine Sinne erfahrbar. Unmittelbar und jetzt.

 

Es gibt nichts zu verbessern und zu optimieren, nur zu erinnern und all die verkrusteten Schichten einer lebensfeindlichen und veralteten Lebensanschauung abzutragen.

 

Darum geht es für mich in der frauenzentrierten Spiritualität: Um Rück-Verbindung, um Verbindung zu etwas, das größer ist als die Persönlichkeit, um Verbindung zu mir selbst und zu allem, was ist. Es ist ein Zustand, der weit macht und frei. Und mit Gefühlen von, Glück, tiefer Freude, Ekstase, und Frieden einhergeht. Es ist ein Seins-Zustand, der Liebe ist. Nicht das Gefühl Liebe, sondern das „Sein Liebe.“

In der zeitgenössischen weiblichen Spiritualität bist du mit allem, was dich ausmacht, willkommen.

Der Unterschied zu patriarchalen spirituellen Strukturen.

Merkmal

Patriarchal strukturierte Religionen

Frauenzentrierte spirituelle Kreise

Führung

Meist männliche Priester, Führer und Autoritäten

Weibliche Führung und gemeinschaftliche Leitung

Hierarchie

Stark hierarchisch, oft mit zentralisierten Machtstrukturen

Flache Hierarchien, dezentrale Machtstrukturen

Theologie

Gottheiten oft männlich dominiert, Betonung auf männlichen Eigenschaften

Göttinnen und weibliche Archetypen, Betonung auf weiblichen Eigenschaften

Rolle der Frauen

Oft untergeordnete Positionen, begrenzte Teilnahme an Führungsrollen

Zentrale Rollen für Frauen, starke Beteiligung an allen Aspekten

Anfälligkeit für Missbrauch

Hohe Anfälligkeit durch Machtkonzentration und patriarchale Strukturen

Niedrigere Anfälligkeit durch gemeinschaftliche und dezentrale Strukturen

Sexualität und Körper

Oft kontrolliert und reguliert, weibliche Sexualität häufig tabuisiert

Feier der weiblichen Sexualität und des Körpers

Rituale und Praktiken

Traditionell und oft unveränderlich, männlich dominierte Rituale

Flexibel und adaptiv, weiblich fokussierte Rituale

Gemeinschaft

Fokus auf Gehorsam und Unterordnung, Gemeinschaft durch Hierarchie

Fokus auf Gleichberechtigung und Unterstützung, Gemeinschaft durch Verbundenheit

Machtmissbrauch

Häufige Berichte über sexuellen, emotionalen und spirituellen Missbrauch

Geringere Berichte über Missbrauch, Fokus auf Heilung und Schutz

Vorteile für Frauen

Begrenzte Selbstentfaltung und spirituelles Wachstum

Ermächtigung und Stärkung der weiblichen Identität und Spiritualität

Bildung und Wissen

Wissen oft kontrolliert und durch die männliche Elite vermittelt

Zugang zu Wissen für alle, Wissensaustausch in der Gemeinschaft

Heilung und Unterstützung

Oft formell und distanziert, institutionalisierte Unterstützung

Informell und persönlich, starke Netzwerke der Unterstützung


Im Gegensatz zu herkömmlichen, patriarchal geprägten spirituellen Richtungen und Religionen, die in der ein oder anderen Form immer misogyn, das heißt frauenfeindlich und verachtend sind – mehr oder weniger versteckt – ist frauenzentrierte Spiritualität dies nicht. Und bemüht sich, all die Wunden, die durch 6000 Jahr Patriarchat zugefügt wurden, zu erkenne und zu heilen. Sowohl unter Frauen, unter Männern und im Verhältnis zwischen Frauen und Männern.

 

Es ist eine Richtung, die auf Heilung und gegenseitigem Respekt ausgerichtet ist und nicht auf Trennung.

Ein zentrales Element ist die Anerkennung, dass alles Leben auf diesem Planeten durch den weiblichen Körper kommt. Punkt. Und dass damit dem weiblichen Körper und seiner Selbstbestimmung ein zentraler Punkt zufällt. Der Körper ist Ausdruck der großen Göttin, die alles ist.

 

Einer der Unterschied zwischen herkömmlichen, hierarchisch strukturierten und patriarchal geprägten spirituellen Systemen und frauenzentrierter zyklisch ausgerichteter Spiritualität, die in Kreisen stattfindet, ist, dass die frauenzentrierten Systeme weniger anfällig für Missbrauch sind.

 

Der Kreis schafft keine Ebenen, der Kreis mit all den Frauen, wo jede für jeden Spiegel ist und alles sein darf an Ausdruck, verhindert das.

In der weiblichen Spiritualität finden Frauen neue Wege, um in ihren Körper und in Gemeinschaft zu kommen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die spirituelle Praxis in Kreisen stattfindet. Es gibt keine Hierarchien, keine, die die Guru wäre und den anderen sagt, was sie zu glauben hätten. Auch wenn es eine oder zwei gibt, die den Kreis leiten, sind sie zwar Raumhüterinnen und Halterinnen für die anderen Frauen, jedoch findet die Begegnung auf Augenhöhe statt.

Die Kreise finden im Bewusstsein statt, dass alles auf dieser Welt einen Zyklus hat, alles ist zyklisch. Der große Kreislauf von Leben, Tod, Leben wird aktiv gelebt.

 

Das lineare des Patriarchat existiert in Wahrheit nicht. Alles ist Kreis, ist Kreislauf.

 

Die zeitgenössische frauenzentrierte Spiritualität ist eingebettet ins heutige Leben. Auch wenn sich Frauen schon seit jeher in Kreisen treffen und in Entspannung und Miteinander mehr sie selbst sind, zeichnet die heutige Realität ein anderes Bild.

 

6000 Jahre Patriarchat und Trennung haben da ganz Arbeit geleistet. Teile und herrsche ist eines der Paradigmen von hierarchischen Systemen wie dem Patriarchat. Durch Hierarchien entsteht Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Die Bande zwischen Frauen wurden zerschlagen und die drei apokalyptischen Reiter hielten Einhalt in Frauenbeziehungen: Vergleich, Konkurrenz und Neid. Das sind starke Mittel, um Frauen zu vereinzeln. Die heutigen Strukturen der Kleinfamilie tragen ihr übrigens dazu, dass der Zusammenhalt weiterhin schwierig wieder herzustellen ist.

 

Umso wichtiger, hier neue und doch alte Wege zu gehen. Weniger mit dem Fokus auf starre Regeln und "so hat es zu sein" und so nicht, sondern ein Experimentieren mit den Techniken und Mitteln, die funktionieren und sich auf das Leben direkt auswirken.

 

Techniken, die wahre und authentische Verbindung schaffen, nicht abgehobenes oder Weltfremdes. Die all das Verhärtete in dir schmelzen und weich machen. Durch diese Weichheit kannst du tief in dich selbst fallen lassen und die Weite in dir und der Welt finden. Verbundenheit wird direkt erlebbar und bleibt keine Abstraktion mehr.

 

All deine emotionalen Ausdrucksformen sind willkommen und sind Wegweiser und Surfbretter zu dir selbst und deiner eigenen Tiefe. Erlaube dir, alles zu fühlen und auszudrücken.

In der weiblichen Spiritualität wird Zusammenhalt und Miteinander unter Frauen gefördert.

Wozu brauchen wir eine zeitgenössische frauenzentrierte Spiritualität?

  • Wir brauchen sie dazu, um zu erkennen, dass mit uns nichts verkehrt ist, sondern die Welt, so wie sie ist, nicht frauengerecht ist.
  • Wir brauchen sie als Werkzeug, um unsere eigenen und gegenseitigen Wunden und Verletzungen anzuerkennen und zu heilen.
  • Wir brauchen sie, um zu einem neuen Miteinander zu finden, jenseits unserer persönlichen Stories und Befindlichkeiten und doch tief an unseren Themen dran.
  • Wir brauchen sie, um selbstbewusst neue Formen des Miteinanders in der Welt sein zu finden und schlussendlich an einer Welt mitzuwirken, die frauen- und damit menschengerechter ist.
  • Wir brauchen sie, um aus der Aufopferungs- und Ausbeutungsfalle rauszukommen, in die patriarchale Systeme uns immer wieder bringen.
  • Wir brauchen sie, um neue geschützte und sichere Räume zu bilden füreinander.
  • Wir brauchen sie, um diese sichereren Räume sich auf die ganze Erde erstrecken zu lassen, da die Erde und all ihre Wesen als heilig wahrgenommen werden. Im Einheitsbewusstsein gibt es auch hier keine Trennung und alles, was wir der Erde antun, tun wir auch uns an.
  • Wir brauchen sie, um wir selbst zu sein. Die zu werden, als die wir gemeint sind.

Zudem ist es doch einfach auch nervig, dass wir uns althergebrachter spiritueller Systeme bedienen, die vielleicht im Kern und Ursprung zwar einen guten Ansatz haben, aber durch die Jahrhunderte eine misogyne Ausrichtung bekommen haben oder sich bis heute nicht zu den Fehlern in ihren Organisationen bekommen, oder?

 

Lasst uns neue Wege finden, oder besser noch, neue Kreise ziehen. Selbst-bestimmt und Selbst-ermächtigt ein Form der Sinnerfüllung finden, die in unser modernes Leben passt. Wo Spiritualität keine Spinnerei mehr ist, bzw. wo die Spinnerinnen nicht mehr abgewertet werden, sondern man und frau ihren Wert schätzen und anerkennen.

 

Lasst uns den spirituellen Raum zurückgewinnen und ihn nutzen, um Antworten auf die brennenden Fragen unsres Lebens als Frau zu finden in einer Welt, die nicht zu unserem - oder zum Nutzen von irgendwem - ist.

 

Lasst und die sein, auf die wir gewartet haben. 

 

Zum Wohle aller Wesen.

Lasst uns zum Wohle aller Wesen neue Weg in der zeitgenössischen frauenzentriertes Spiritualität finden.

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